Kleine Zeitung vom 09/2022. Andreas Kanatschnig
Gerhard Hohenwarter senior beobachtet seit 30 Jahren den Eiskar-Gletscher: Bisher war er 112 Mal dort, um den einzigen Gletscher in den Karnischen Alpen zu vermessen. Oft gemeinsam mit seinem Sohn.
Begrenzt von hohen Wänden, trotzt das Eiskar den immer heißer werdenden Zeiten. Die Nordlage kommt ihm zugute, sonst wäre der einzige Gletscher der Karnischen Alpen wohl schon längst geschmolzen. Gerhard Hohenwarter, pensionierter Geografie- und Geschichtelehrer, vermisst das Eiskar seit 30 Jahren. Gletscherknecht nennt man in Vermesserkreisen die ehrenamtlichen Helfer, die in den Alpen das Schwinden von Schnee und Eis dokumentieren.
Von den 900 Gletschern, die es in Österreich noch gibt, ist der Eiskar-Gletscher einer von denen, die vermessen werden: 15 Hektar groß, im Durchschnitt 20 Meter mächtig und 700 Meter lang. Einen dreiviertel Meter sinkt der Gletscher pro Jahr ein. "Einen Großteil sieht man aber nicht, weil er zu drei Viertel mit Schutt bedeckt ist. Das rettet ihm auch sein Leben, denn Schutt verhindert, dass die Wärmestrahlung direkt auf das Eis fällt", erklärt Hohenwarter, der ganz offiziell den Stab bereits an seinen Sohn Gerhard Hohenwarter, Meteorologe an der Zamg in Klagenfurt, weitergeben hat.
Pilgert er, und das kann man durchaus so sagen, gemeinsam mit seinem Sohn zum Eiskar, ist das ein Marsch, der selten Gutes verheißt: "Der Rückgang wird heuer dramatisch werden." Vom Plöckenpass wandern die Hohenwarters über einen schwierigen Steig in die Kellerwand. Gletscher haben den studierten Geografen schon immer fasziniert: "Schon als Student waren wir am Glockner, um die Pasterze zu vermessen." Als er Anfang der 1990er-Jahre an der Uni Graz nachfragte, ob man das Eiskar noch vermesse, erfuhr er, dass man damit aufgehört hatte: "Man fragte mich, ob ich es machen wollte. 1992 ging der Grazer Geografie-Professor Gerhard Karl Lieb mit mir zum ersten Mal hin und zeigte mir, wie man einen Gletscher vermisst." Seitdem ist er 112 Mal im Eiskar gewesen: "Wir gehen viermal im Jahr hinauf, was eine Fleißaufgabe ist. Die offizielle Messung für den Alpenverein machen wir immer im September." Drei Bücher hat er bisher mit Notizen befüllt.
Aber nicht nur das von Lawinen gespeiste Eiskar schaut sich Hohenwarter an, auch bei den Messungen an der Pasterze half er über viele Jahre mit: "Damit höre ich heuer auf." Die Liebe zu den Bergen erbte Hohenwarter, der im Gailtal geboren ist, von seinem Vater: "Mein Vater war Zollwachebeamter, der die grüne Grenze kontrollierte." Familie Hohenwarter wechselte in jungen Jahren alle drei Jahre den Wohnort, weil das bei Zollwachebeamten so üblich war: "Damit man mit den Einheimischen nicht zu gut wird." Als Hohenwarter die Volksschule besuchte, kam sein Vater am Oisternig leider in einer Lawine ums Leben: Von all den Bergen, die Hohenwarter besuchte, zieht es ihn immer wieder dorthin. Die Hohenwarters sind alle Bergmenschen: Seine Frau Waltraud genauso wie die Söhne Michael, Gerhard und Tochter Elisabeth. Der passionierte Sänger, der 40 Jahre mit den "Fünf Gailtalern" auftrat, und heute in Villach lebt, ist ständig beschäftigt: "Wenn man meinen Schreibtisch ansieht, glaubt man, das ist ein Topmanager." Auch das Eiskar will er noch einige Zeit besuchen - denn gut 20 bis 30 Jahre wird es den Gletscher noch geben.
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